von Farid Omar
Thomas Sankara war vor zwanzig Jahren der Präsident Burkina Fasos. Zwischen 1983 und 1987 stand der panafrikanische Revolutionär an der Spitze einer der mensch-zentriertesten Revolutionen nach Ende der Kolonialzeit in Afrika. Sankara war ein unkorrumpierbarer Mann. Sein Monatsgehalt betrug magere $450. Sein wertvollster Besitz soll in einem Auto bestanden haben, in vier Fahrrädern, drei Gitarren, einem Kühlschrank und einer kaputten Kühltruhe. Sankara galt als ärmster Präsident der Welt. Angeblich weigerte er sich, die Klimaanlage in seinem Büro einzuschalten. Dieser Luxus stehe nicht allen in Burkina zur Verfügung, nur einer handvoll, daher lehne er ihn für sich selbst ab.
Um die wirtschaftliche Unabhängigkeit Burkina Fasos zu sichern, verstaatlichte Sankara den Mineralstoffreichtum des Landes und Territorien, die sich in westlicher Hand befanden. Er brach mit internationalen Finanzinstitutionen, wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Dies setzte – sehr effektiv – innere Ressourcen frei, die der Staat für dringend benötigte Sozialprogramme für Arme (z.B. öffentliche Bildung, Krankenversorgung und Wohnungen) umlenkte. Sankara hatte es eilig, die letzten neokolonialistischen Bande zu zerschneiden und änderte den Namen des Landes von Obervolta – ein Begriff aus der Kolonialzeit – in Burkina Faso. Der Begriff ‘Burkina Faso’ stammt aus zwei Landessprachen und bedeutet ‘Land der Unkorrumpierbaren’.
Ein Schwerpunkt von Sankaras starkem Revolutionsprogramm war die Emanzipation der Frau. Sankara richtete einen ‘Tag der Solidarität’ ein, an dem Männer ermutigt wurden, auf den Markt zu gehen und die Mahlzeiten zu bereiten, zu putzen, Kleidung zu waschen usw.. Auf diese Weise sollten sie die Situation der Frauen am eigenen Leib erfahren. Sankara war entschlossen, sexistische Haltungen zu ändern und setzte in vielen Schlüsselpositionen Frauen ein. Er stellte sicher, dass Frauen auf nationaler Ebene in die Entscheidungsfindungsprozesse einbezogen waren. Seine Revolutionsregierung hat Frauen in vielen Bereichen entscheidende Pfade eröffnet. Frauen wurden zu einem effektiven Teil der staatlichen Bürokratie und des Rechtssystems und waren in allen wichtigen Bereichen der Gesellschaft vertreten.
Ein weiterer Erfolg der Revolution von Burkina Faso – neben der Veränderung der Geschlechterbeziehungen – war das ”Impf-Kommando’. Dabei handelte es sich um ein staatliches Programm, das innerhalb von nur 15 Tage (Anfang November 1984) 2,5 Millionen Kinder gegen Meningitis, Masern und Gelbfieber impfte. Die Kampagne war derart erfolgreich, dass auch Kinder aus Nachbarstaaten, wie der Elfenbeinküste oder Mali, gebracht wurden, um (kostenfrei) geimpft zu werden. Durch diese Impfaktion konnte die Todesrate bei Säuglingen und Kleinkindern um die Hälfte gesenkt werden.
Zwischen Ende 1984 und 1986 orchestrierte die Revolution unter Thomas Sankara ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm und eine Kampagne zur Aufforstung von 10 Millionen Bäumen, um die Wüste Sahara zurückzudrängen. Daneben wurde das sogenannte “Alpha-Kommando” gestartet – ein Alphabetisierungsprogramm, das Tausenden Armen in Stadt und Land zugute kam. Ende 1986 konnte mithilfe eines UNO-Programms die sogenannte “Flussblindheit” unter Kontrolle gebracht werden.
Thomas Sankara war ein mutiger Verfechter einer selbstbestimmten, nachhaltigen panafrikanischen Entwicklung. Am 15. Oktober 1987 wurde er Opfer eines Attentats – zusammen mit einem Dutzend seiner Genossen. Bis heute steht in seinem Totenschein “natürliche Todesursache”. Hinter dem Anschlag stand der damalige Justizminister und heutige Präsident Burkina Fasos, Blaise Compaoré. Er wird mit der Ermordung Sankaras und seiner Kameraden in Verbindung gebracht.
Thomas Sankara genoss großes Ansehen in Afrika und der Welt. Er galt als Vorkämpfer für einen fundamentalen Wandel und für die Befreiung Afrikas aus der Kontrolle internationaler Finanzinstitutionen, die Kriege, Armut und die Ausplünderung der Ressourcen verstärkten.
1997 startete in Burkina Faso eine Kampagne (International Justice for Sankara Campaign) mit dem Ziel, die Sankara-Attentäter vor Gericht zu bringen. Nachdem in Burkina Faso alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft waren und angesichts der politisch fragwürdigen Justiz des Landes wandte sich die Kampagne am 15. Oktober 2002 an den UNO-Menschenrechtsgerichtshof.
Im April 2006 gab der Gerichtshof sein Urteil in der Sache ‘Familie Sankara gegen die Behörden von Burkina Faso’ bekannt. “Die Rechtspartei – der Staat Burkina Faso – hat gegen durch das Abkommen geschütztes Recht (Artikel 7 und 14, Paragraph 1) von Mariam Sankara und deren beiden Söhnen Auguste und Philip verstoßen.” Weiter heißt es in dem Urteil: “Diese Verstöße bestehen darin, dass sich sämtliche zuständigen Behörden Burkina Fasos bislang weigern, eine juristische Untersuchung der Umstände der unrechtmäßigen Tötung von Thomas Sankara, am 15. Oktober 1987, zu untersuchen und pflichtgemäß mit Maßnahmen fortzufahren, um einen falschen Totenschein – gemäß einer durchzuführenden juristischen Untersuchung (siehe oben) – abzuändern”.
Das Urteil der UNO wird als Präzedenzfall im Kampf gegen Straffreiheit und gegen Afrikas Eliten gewertet. Es wird federführend sein für weitere Aktionen, um die Täter, die jenes schreckliche Verbrechen an Sankara und seinen Kameraden begingen, vor Gericht zu bringen. Zwanzig Jahre sind seit dem 15. Oktober 1987 vergangen. Auf der ganzen Welt erinnern sich Menschen an Thomas Sankara. In Burkina Faso, Mali, Senegal, Tansania, Burundi, Frankreich, Niger, Kanada und den USA gab es zahlreiche Gedenkveranstaltungen. Thomas Sankara hat einmal gesagt: “Wir müssen es wagen, die Zukunft (neu) zu erfinden”. Sein Vermächtnis und seine Vision leben weiter. Viele Menschen in Afrika und auf der ganzen Welt sind inspiriert von seinem selbstlosen Kampf zur Befreiung Burkina Fasos und Afrikas vom Joch des westlichen Imperialismus.
27.10.2007 — ZNet
Farid Omar ist Mitglied von Group for Research and Initiative for the Liberation of Afrika (GRILA) www.grila.org